Eine Ausstellung alter und zeitgenössischer Kunst im Berliner Dom

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Mittagsandacht

Mittagsandacht am 12. und 13. März über Jesaja 64, 7: „Aber nun Herr, du bist doch unser Vater! Wir sind Ton, du bist unser Töpfer und wir alle sind deiner Hände Werk“ von Domprediger Michael Kösling im Rahmen der Ausstellung

Domprediger Michael Kösling

Domprediger Michael Kösling

Sie sind alt und liegen da wie zusammengefegter Kehricht. Überbleibsel eines ärgerlichen Missgeschicks. Hunderte Scherben. Kleine und große. Sie liegen auf dem harten Stein. Jetzt müsste eigentlich jemand kommen, mit Kehrblech und Besen und sie entsorgen. Augenscheinlich nutzloser Müll liegt da zu Füßen des Besuchers. Ein Irrtum. Ja was für einer! Die Scherben einer 2000 Jahre alten Urne aus der chinesischen Han Dynastie sind wertvoll. Wertvoller, als Sie denken. Nicht nur, weil der chinesische Künstler Ai Weiwei sie aus seinen Händen - absichtlich – fallen ließ, und sie so zu Kunst wurden. Sie sind wertvoll als ein Bild, dass unsere Verletzlichkeit zeigt.

Unsere menschliche Existenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen Traum und Wachen. Das Leben ändert sich in einem Augenblick. Es entgleitet uns aus unseren Händen und was schön war und von Nutzen, zerbricht und ist tot. Es liegt da – unzählige Scherben. Wer setzt es jetzt wieder zusammen?

Dazu bedarf es nur eines Blickes. Gegenüber, am andere Ende des Ausstellungsraumes steht erhaben und schön die Tulpenvase der südkoreanischen Meisterin Young-Jae Lee aus dem Jahr 2014. Zerbrechlich und erhaben und wunderschön steht sie auf ihrer Stele. Dazwischen, zwischen den Zeiten, den Jahrtausenden, wir Menschen. Gottes Hände Werk: Aber nun, Herr, du bist doch unser Vater! Wir sind Ton, du bist unser Töpfer und wir alle sind deiner Hände Werk. Unsere menschliche Existenz. Der Prophet Jesaja beschreibt sie im Bild vom Töpfer und seinem Werk.

Wir Menschen lieben das Schöne und wir wollen es: schöne Musik und schöne Körper, schöne Gedanken und schöne Formen. Wir schauen uns danach um und wir begehren sie und bewahren sie und finden darin die Spuren Gottes, unseres Schöpfers, der uns gemacht hat und dem wir uns verdanken. Wir finden darin den Traum, den Gott von uns träumt. Und damit nicht genug, wollen wir doch auch einen Gott, der uns liebt: unsere verkümmerten Seelen, unsere traurige Gestalt, unsere dunklen Gedanken und unsere kraftlose Tat. Wir wollen den Gott, der unsere Scherbenexistenz eben wieder zusammen setzt oder uns Zerbrochene wenigstens nicht zusammen kehrt und entsorgt, weil wir unseren Nutzen und unsere schöne Gestalt verloren haben in einem unachtsamen Augenblick oder im Laufe der Jahre.

Na was denn nun? Den tiefsten Abgrund und den höchsten Himmel. Dazwischen hält uns Gott am Kreuz. Der Gott, der unsere gebrochene Existenz meint und seine Geschöpfe liebt, weil sie aus seinen Händen kommen und der leidet, wenn sie kaputt gehen. Ein Bild der Passion, der Leidenschaft Gottes für uns. Wenn Sie gleich in unsere Ausstellung gehen, dann wagen Sie den Blick auf den Boden zu ihrer Linken und dann den Blick zu ihrer Rechten. Und vielleicht wird ihnen dieses Bild mitten in der Passion zu einem Bild der Auferstehung.
Wenn ich, oh Schöpfer, deine Macht,
EG 506, 1-2+5

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