Eine Ausstellung alter und zeitgenössischer Kunst im Berliner Dom

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Eine Ausstellung in einem Dom im Neorenaissance-Stil, überladen von Bildern – wie kann das gehen?

DU SOLLST DIR (K)EIN BILD MACHEN, eine Ausstellung im Berliner Dom mit seinem üppigen Neorenaissance-Stil der wilhelminischen Zeit – wie kann das gehen? In einem Dom, überladen von Bildern, ganz gegen die Tradition evangelischer Kirchen.

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Ein Kirchenraum der sich so – zumindest ästhetisch – im Widerspruch zu sich selbst verhält. Du sollst Dir kein Bild machen, noch immer gilt für Juden und Christen das Gesetz aus dem 2. Buch Mose: Wir bilden Gott nicht ab. Du sollst Dir keinen Götzen verfertigen, noch irgendetwas was droben im Himmel oder unten auf der Erde oder im Wasser unter der Erde ist.
Die Ausstellung Du sollst Dir (k)ein Bild machen zeigt Bilder von Menschen. Solchen, die von Menschen gemacht sind und solchen, die Menschen zeigen. Bilder, die sich  immer als Teil eines Ganzen erleben, aber nicht in dem Ganzen aufgehen und in der ihnen eigenen Energie, ihrer Kraft wie ihrer Verletzlichkeit auf einer individuellen, künstlerischen Idee bestehen. In die Tauf– und Traukirche des Berliner Doms soll ein skulpturales Gebäude gesetzt werden, ein Raum im Raum. So wurzeln Bilder, wurzelt die dort gezeigte Kunst in einer mehr als zweitausend Jahre alten Geschichte.
In inhaltlicher Abstimmung mit den Dom-Predigern und mit ideeller Unterstützung des Domkirchenkollegiums entwickelte Alexander Ochs die Ausstellung, in deren Mittelpunkt ein speziell gefertigter ‚White Cube‘ steht, der in die dem Dom zugehörige ‚Tauf- und Traukirche‘ (TKK) eingebaut werden soll. Hinter diesem Gehäuse wird die gesamte eklektizistische Ausstattung der TKK verschwinden und der Raum in einen gleichsam ‚protestantischen‘ Zustand zurückversetzt. Der zu Beginn der Ausstellung fast leere Raum erinnert so an jüdisches Abbildungsverbot wie die Idee Luthers, die Kunst nur noch didaktisch zu sehen bis hin zum reformatorischen Bildersturm im 16. Jahrhundert.
Der in Berlin (und in der Vergangenheit in Peking) lebende und arbeitende Kurator, Autor und Galerist Alexander Ochs hat mit meist zeitgenössischen, aber vereinzelt auch klassischen Kunstwerken ein Ausstellungskontinuum geplant, das in der Passionszeit beginnt und bis zum ersten Sonntag nach Trinitatis andauern soll. Das Vorhaben umfasst mehr als 70 Werke von fast 50 oft international renommierten Künstler/innen und wird sich entlang der Liturgie des Osterfestkreises immer wieder verändern. Die Idee ist also nicht die einer gesetzten Ausstellung, vielmehr eines atmenden Kontinuums.
Die Wände des zu Beginn zu erlebenden Raums werden fast leer sein, es finden sich jedoch einige Artefakte und Hinweise in ihm. Alexander Ochs entwickelt selbst eine Text-Skulptur aus Neon in hebräischer Schrift (Du sollst Dir kein Bild machen) sowie gegenüber und in der Wand vor dem versteckten Altar einen Bibel-Schrein, der das 2. Buch Mose, Kapitel 24 (Moses baut einen Altar) zitiert. Diese beiden Skulpturen werden während der gesamten Dauer der Ausstellung zu sehen sein, daneben integriert der erste Raum eine Arbeit von Lucio Fontana, ein Vase der koreanischen Künstlerin Young-Jae Lee (Stigmata / Fülle), ein kleines Gemälde des Niederländers Pieter Claezs (kodierte Abendmahlszene / Bildersturm), einen Reliquienschrein in Hausform aus dem 14. Jahrhundert (Heilung) sowie die Arbeit Placebo des an Aids gestorbenen kubanischen Künstlers Félix Gonzáles-Torres. Es handelt sich hier um in Gold- oder Silberfolie eingewickelte Bonbons, die das Publikum mitnehmen darf (Agape / Sterben). Die Kunstwerke dieses Raums werden Stück für Stück von anderen abgelöst. Auf einem Video-Screen wird  sich die gesamte Geschichte / Form der sich immer wieder ändernden Ausstellung nachverfolgen lassen.
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Die Tauf- und Traukirche im Berliner Dom im Originalzustand, Foto © Uwe Gaasch

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