Eine Ausstellung alter und zeitgenössischer Kunst im Berliner Dom

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Dritte Szene der Ausstellung (15. – 21. März)

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4. Sonntag der Passionszeit: Laetare. Dritte Szene der Ausstellung ab 15. März 2015 mit Werken u.a. von Stella Hamberg, Andres Serrano, Dario Mitidieri, Hermann Nitsch und Adam Nadel.

„Du sollst dir (k)ein Bild machen“ ist der Titel der zyklischen Ausstellung im Berliner Dom, in der zehn wechselnde Szenen alter, moderner und zeitgenössischer Kunst arrangiert werden, die assoziativ den Osterfestkreis begleiten. Am 4. Sonntag der Passionszeit fügen sich nun weitere Werke in den sich im Wandeln befindenden Rhythmus der Ausstellungsentwicklung ein:

Die Bronze Vom Verrecken und der absoluten Unmöglichkeit zu sterben I – das Tabu von Stella Hamberg oszilliert zwischen figürlicher Darstellung und abstrakter Form, die in ihrer Ganzheit doch Organisches preisgibt. Hamberg schafft bewusst keine gegenständlich abbildende Skulptur, die man bloß wie einen leblosen Gegenstand anschaut. Vielmehr soll sie innere Bilder im Betrachter evozieren, Assoziationen provozieren und aus der leblosen Materie lebendige Vorstellung erzeugen. Der künstlerische Schöpfungsprozess endet also nicht mit der Bearbeitung der Materie, sondern vollendet sich in der individuellen Wahrnehmung des Betrachters. Somit steht es in dem Kontext jedem frei: Du sollst dir (k)ein Bild machen.

Die Fotografie des New Yorkers Andres Serrano ist Teil der Serie The Morgue von 1992. Hierfür begab sich der Fotograf in Leichenschauhäuser und fotografierte die toten Körper, so wie er sie vorfand. Bis auf das bewusste Wählen des begrenzenden Bildausschnittes, inszenierte er die Leichen nicht. Er stellte sich bei seiner Arbeit dem faktischen Tod und versuchte nicht zu schönen. Und gerade diese Realität – die blanke Konfrontation mit dem Tod – erschüttert, obwohl wir alle wissen, dass der Tod ebenso ein Teil des Lebens ist wie das Leben Teil des Todes ist.

Audio Guide Du sollst Dir (k)ein Bild machen: Dritte Szene

Ein anderes Bild vom Tod zeigt uns der italienische Fotograf Dario Mitidieri in seiner Arbeit Iraque (Leichensäcke) von 2003. Wir verknüpfen den Titel und das Entstehungsdatum unmittelbar mit den geschichtlichen Ereignissen des Irakkrieges und ahnen, dass die Opfer einen würdelosen Tod gestorben sein müssen. Doch so zeigt uns der Moment der Fotografie, dass diesen Menschen ihre letzte Würde wiederzugeben versucht wurde. Jeder einzelne ist mit einem Tuch umhüllt, sie sind nicht Opfer unseres Blickes. Und auch wenn aneinandergereiht, so wird doch jedem sein eigener Raum zugesprochen. Es ist nicht der uns aus den Medien bekannte Berg aus Opfern. Hier zählt jeder einzelne.

Der Wiener Aktionskünstler Hermann Nitsch setzte das Leben per se mit der Passion gleich. Er versteht Kunst als Religionsausübung, die Gestaltungsprozesse als Inbegriff der Passion. So wundert es nicht, dass er auf der Bahre von 1982 neben den klassischen Materialien der Kunst – Leinwand, Fotografie und Öl – auch Blut als gestalterisches Mittel eingesetzt wird. Das Foto in Schwarz-Weiß, das uns nichts als die vermeintlich verwundeten und blutenden Füße zeigt, suggeriert sogleich die Krankheit oder den Tod, mit der man Bahren assoziiert.

Doch dass ein versehrter Mensch sich doch der Lebendigkeit und der eigenen Körperlichkeit erfreuen kann, sieht man in Adam Nadels Fotografie Warming up von 2005. In diesem Sinne kann man es auch unter dem Motto dieses Sonntages der Passionszeit verstehen: Laetare – Freue Dich. Trotz allen Leids und Mitleids und aller Zeichen der Verwundung und Verletzung führen uns diese Sportler doch vor Augen, dass es Hoffnung gibt und man sich des eigenen Lebens erfreuen darf.

The third scene of the exhibition March 15 – 21, 2015

The fourth Sunday of Lent: Laetare. The third scene of the exhibition is on view from March 15, 2015 with works by Stella Hamberg, Andres Serrano, Dario Mitidieri, Hermann Nitsch, Adam Nadel and others. Du sollst Dir (k)ein Bild machen (You should (not) make for yourself an image) is the title of a cyclic exhibition at the Berlin cathedral. It consists of ten shifting scenes of older, modern and contemporary art that by way of associations accompany the Easter Season. On the fourth Sunday of Lent new works are added to the exhibition´s changing make-up:

Stella Hamberg´s bronze piece Vom Verrecken und der absoluten Unmöglichkeit zu sterben I – das Tabu oscillates between figurative representation and abstract form, yet as a whole suggests something organic. Hamberg deliberately didn´t make a mimetic sculpture that one would look at as if it were a lifeless object. Rather, the piece should trigger associations in the viewer and create lively mental images out of lifeless matter. The artist´s creative process thus doesn´t end with the fabrication of a material object, but culminates in the viewer´s individual perception. It is therefore open-ended: you should (not) make for yourself an image.

The photograph by Andres Serrano is part of the series The Morgue from 1992. The New York-based photographer went to a morgue and photographed corpses in the exact state in which he encountered them. His intervention was limited to visually framing the bodies in a particular way. It is precisely this reality – a head-on confrontation with death – that has a disturbing effect, even though we all know that death is part of life just like life is part of death.

Italian photographer Dario Mitidieri provides us with yet another image of death in his piece Iraque (Body Bags) from 2003. We immediately relate the title and the year to the Iraq war, and intuit that the victims have died an undignified death. Yet the captured moment shows that an attempt was made to bring back final dignity to these people. Each of them is wrapped in a blanket, they are not victims of our gaze. Even though they are lying in rows, each of them is provided with its own space. This is not the pile of corpses that we know from the media. Here, each individual counts.

The Viennese Actionist Hermann Nitsch equated life itself with suffering. He understands art as a religious practice, the forming processes as the epitome of suffering. It therefore comes as no surprise that in Stretcher from 1982 he used blood as a formal element, alongside traditional artistic materials such as canvas, photography and oil. The black-and-white photograph, apparently showing nothing more than wounded and bleeding feet, at the same time suggests sickness or death, which one associates with stretchers. 

Adam Nadel´s photograph Warming up from 2005 shows that physically impaired individuals can nevertheless rejoice in being alive and in their own corporeality. In this sense, we can understand it in terms of the motto of this Easter Season Sunday: Laetare – Rejoice. These athletes demonstrate that despite all suffering and pity and all signs of woundedness and hurtfulness there is still hope and one can rejoice in one´s own life.

Copyrights:
– Stella Hamberg, Vom Verrecken und der absoluten Unmöglichkeit zu sterben I – das Tabu, 2008, Bronze patiniert, 115x80cm, Courtesy Galerie EIGEN+ART Leizpig/Berlin und SØR Rusche Sammlung Oelde/Berlin, © Stella Hamberg
– Adam Nadel, o.T.1 (warming up), 2005, silv.gel.pr.-40,7×50,9 cm Courtesy TEUTLOFF MUSEUM e.V., © Adam Nadel
– Herrmann Nitsch, Bahre, übermalt, 1982, verschiedene Materialien, Blut, Öl, Fotos, Kopien, Stoff auf Leinwand, Spanplatte und Holz, 220 x 50,3 x 10 cm
Courtesy Sammlung Hoffmann, Berlin, © Hermann Nitsch, Sammlung Hoffmann, Berlin und VG Bild-Kunst, Bonn 2015
– Dario Mitidieri, Iraque 2003 (Leichensäcke), 2003, silv.gel.pr., 50×60, Courtesy TEUTLOFF MUSEUM e.V., © Dario Mitidieri

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