Eine Ausstellung alter und zeitgenössischer Kunst im Berliner Dom

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Predigt Palmarum

Der katholische Pater Georg Maria Roers SJ predigte im evangelischen Dom zu Berlin aus Anlass der Ausstellung ‚Du sollst Dir (k)ein Bild machen‘.

Liebe Christen!

Im evangelischen Gesangbuch finden sich so wunderschöne Lieder, dass das ein oder andere davon auch im Gotteslob der Katholischen Kirche gelandet ist. Eines davon trägt den Titel: O Welt, ich muss dich lassen. (GL 510)

„O Welt, ich muss dich lassen, ich fahr dahin mein Straßen ins ewig Vaterland. /
Mein Geist will ich aufgeben, dazu mein Leib und Leben legen in Gottes gnädig Hand.

Mein Zeit ist nun vollendet, der Tod das Leben endet, Sterben ist mein Gewinn. /
Kein Bleiben ist auf Erden, das Ewge muss mir werden; mit Fried und Freud ich fahr dahin.

Auf Gott steht mein Vertrauen, sein Antlitz will ich schauen wahrhaft durch Jesus Christ, /
der für mich ist gestorben, des Vaters Huld erworben und so mein Mittler worden ist.“

Gibt es ein schöneres Lied, das zu dem Sterbezyklus aus dem Jahr 2005 von Herlinde Koelbl passt? Wer hat schon einmal erlebt, wie ein Mensch aus dieser Welt ins Jenseits scheidet? Diesen Moment wird man als einen Akt der Gnade Gottes bezeichnen und ganz besonders im Gedächtnis behalten, denn wo er oder sie das Leben ausgehaucht hat, da geschieht etwas Einmaliges. Es ist ein wenig so wie wenn der göttliche Atem, der uns seit Adam und Eva eingehaucht ist, wieder zurückkehrt in die Atmosphäre oder wie es heute heißt, in die Biosphäre, die Gott uns bereitet hat. Wie gefährdet diese ist, wird uns fast täglich vor Augen geführt. Die Bewegung der Grünen in den 80er Jahren hat unser Bewusstsein geschärft, aber hat sie unseren Lebensstil verändert? Leben wir Menschen heute auf unserem Globus nachhaltiger? Nicht umsonst bereitet Papst Franziskus I. gerade eine sogenannte Enzyklika vor, in der er Stellung nehmen wird zum Klimawandel. Vielleicht wird sie „Dominium terrae“ (Herrschaft über die Erde) heißen, um an das erste Buch der Bibel, das Buch Genesis anzuknüpfen (1,28). Der Psalmist betet zu Gott: „Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über das Werk deiner Hände, hast ihm alles zu Füßen gelegt“ (Ps 8,7).

Was haben wir Menschen aus der Schöpfung Gottes gemacht? Das ist nicht nur Thema der Ausstellung Du sollst dir (k)ein Bildnis machen, sondern auch Thema der Passionszeit. Nicht umsonst ist die erste Bitte Jesu am Kreuz: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lk 23, 34).

Die Karwoche beginnen wir mit Palmarum, dem Palmsonntag. Dieser Tag stellt uns den dramatischen Bogen der kommenden Woche in Kurzform vor Augen. Wir feiern Jesus als den König, der auf einem Füllen in Jerusalem einzieht. In der Lutherbibel werden die Nachkommen der Esel als Füllen bezeichnet. Ein König auf einem Esel? Ist das nicht eher eine Karikatur eines Königs, der so daherkommt? Kein Wunder, wenn wir in der Bibel immer wieder lesen: „Das alles verstanden seine Jünger zunächst nicht“ (Joh 12,16).

In manchen christlichen Gemeinden wird am Palmsonntag, also zu Beginn der Karwoche das folgende Lied gesungen: „Macht hoch die Tür, die Macht hoch die Tür, die Tor macht weit,
es kommt der Herr der Herrlichkeit,
ein König aller Königreich,
ein Heiland aller Welt zugleich,
der Heil und Leben mit sich bringt,
derhalben jauchzt, mit Freuden singt.
Gelobet sei mein Gott,
mein Schöpfer reich von Rat“ (GL 218). Ein Adventslied zu Beginn der Karwoche? Ja!

Deshalb findet sich das Lied auch im evangelischen Gesangbuch unter der Nr. 1 im Advent, womit das neue Kirchenjahr beginnt. Aber es passt eben auch sehr gut zum Einzug Jesu in Jerusalem. Aber von welchem König ist hier eigentlich die Rede? Und mit Blick auf das heutige Jerusalem könnte man ganz aktuell fragen: Welches Jerusalem ist gemeint? Was wäre, wenn Jesus heute auf einem jungen Esel in diese Stadt einziehen würde? Würde sich die Szene von vor 2000 Jahren wiederholen?

Wer heute über Jerusalem, insbesondere über den Tempelberg in Jerusalem nachdenkt, sind vor allem radikale Leute. Einige wenige Muslime wollen am liebsten auf dem Tempelberg eine einzige riesige Moschee errichten und alles andere dort abreißen. Einige wenige Juden möchten den Tempelberg zu dem machen, was er immer schon war, ein Heiligtum der Juden und sonst nichts. Sie wollen nicht immer nur an der Klagemauer beten müssen. Und was einige radikale Christen auf dem Tempelberg wollen, dass möchte ich mir erst gar nicht vorstellen. Es braucht nur ein Funken überzuspringen, das Gleichgewicht wäre dahin.

 

Taysir Batniji, Gaza Walls , 2001, 59 x 80 cm, © Taysir Batniji, Courtesy Künstler und Sfeir-Semler Galerie Hamburg / Beirut

Taysir Batniji, Gaza Walls , 2001, 59 x 80 cm, © Taysir Batniji, Courtesy Künstler und Sfeir-Semler Galerie Hamburg / Beirut

Die Serie Gaza Walls von Taysir Batniji würde vermutlich um eine neue Serie von Opfern erweitert, auch die Serie Soldiers von Rami Maymon, die jüdischen Soldatinnen fotografiert hat, schöne Frauen in Soldatenuniform. Sie würden dann vermutlich als effektive Kräfte im Einsatz gezeigt. Beide Serien Gaza Walls und Soldiers sind in der aktuellen Hängung der Ausstellung zu sehen. Sie rahmen gewissermaßen die beiden Toten, von denen Eingangs schon die Rede war: Mann und Frau sind friedlich eingeschlafen. Ihre Gesichtszüge machen die Würde des Menschen auf anschauliche Weise fassbar. Die Würde ist unantastbar, so versichert es uns das Grundgesetz. Aber was gelten Gesetze in Gebieten von Bürgerkrieg und Chaos?

„Wer ist der König der Herrlichkeit? Der Herr, stark und gewaltig, der Herr, mächtig im Kampf. Ihr Tore, hebt euch nach oben, hebt euch, ihr uralten Pforten, denn es kommt der König der Herrlichkeit“ (Ps 24 8.f). Auf diesen Psalm spielt das Lied an, dessen erste Strophe wir gerade gesungen haben. Gott ist der Herr, der Herrscher des Himmels und Erde! Aber Jesus, ist auch ein absoluter Gott, ein absoluter König, ein Souverän? Würde man einen König an Karfreitag kreuzigen? Diese Frage stellt Pilatus an Karfreitag: „Euren König soll ich kreuzigen?“ Diese Frage wird im Johannesevangelium (19,15) gestellt. Das neue, zweite Testament beginnt bei Matthäus mit dem Satz: „Stammbaum Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams“ (Mt 1,1). Tatsächlich ist Jesus der König der Juden, er sagt es ja im Verlauf vom Prozess selber. Das ist ja der Grund dafür, warum er so grausam erniedrigt, gefoltert und hingerichtet wird. Pilatus bestätigt dieses Urteil, obwohl er Jesus dem Volk zunächst vorstellt als: ECCE HOMO. Das wurde vom Volk als eine Provokation empfunden: „Sehet, welch ein Mensch“, so übersetzt es Martin Luther. Kaum ein Maler hat dieses Motiv bis ins 19. Jahrhundert hinein ausgelassen. Ein König mit Dornenkrone? Die Kunst und das Drama lebt von solchen Gegensätzen, es fordert die Künstler und Künstlerinnen ganz besonders heraus.

Das Königtum Jesu besteht nicht darin, sich in Prunk und in Würden zu gefallen, wie etwa König Herodes und die meisten Könige dieser Welt. Er wäscht beim letzten Abendmahl nicht nur den Jüngern, sondern auch seinem Verräter die Füße. Kein irdischer König würde das machen. Viele der Mächtigen haben geglaubt, höher zu stehen als die göttliche Majestät Jesu Christi. Aber er ist eben auch kein König von dieser Welt. Wer aber spricht von Jesus heute als die göttliche Majestät an? Das liegt weder im Bereich der Gewohnheit heutiger Christen, noch im tatsächlichen Vollzug unserer persönlichen Gebete. Selbst im sonntäglichen Gottesdienst kommt es kaum oder gar nicht vor.

Das war in früheren Jahrhunderten ganz anders. Der Ordensgründer der Jesuiten, Ignatius von Loyola (1491-1556), hat sich einmal in die drei göttlichen Personen hineingedacht. In seiner berühmten Betrachtung von der Menschwerdung soll der Beter sich in diese drei göttlichen Personen hineinfühlen: „Hören, was die göttlichen Personen sagen, nämlich: Lasst uns die Erlösung des Menschengeschlechts verwirklichen“ (GÜ 107). Die drei göttlichen Personen haben also beschlossen, dass Jesus Mensch wird, um die Sünden der Welt auf sich zu nehmen und damit wieder jenen Zustand herzustellen, der einst vor dem Sündenfall der ersten Menschen bestand. Erst dann macht der Satz wieder Sinn, dass wir nach dem Abbild Gottes geschaffen wurden (Gen1,26). Damit hat das Thema der Ausstellung Du sollst dir (k)ein Bildnis machen zutiefst zu tun.

Um es mit einem Text aus dieser Kirche zu sagen, den die Engel im Chorbogen tragen: „Lasset Euch Versöhnen mit Gott.“ Das fast unser Bemühen in der Fastenzeit, besonders in der Karwoche, gut zusammen. Genau darin besteht das Königtum Jesu: er ist demütig, er ist ein Diener, er lässt sich verleugnen, er erträgt Hohn und Spott. Nicht Gold und Pracht, -und das sage ich nicht nur in dieser prachtvollen Kirche – , sondern Armut und Empathie ist ihm Herzensangelegenheit. Er ist gleichmütig und geduldig und lässt sich mit einer Dornenkrone ’schmücken’. In den Geistlichen Übungen des Ignatius, die man in aller Abgeschiedenheit machen sollte, geht es genau darum: den Ruf dieses Königs zu hören. Es ist der König, der auf einem Esel in Jerusalem einreitet.

Deshalb können wir im Advent und am Beginn der Karwoche auch die letzte Strophe von Lied 1 im Evangelischen Gesangbuch mitsingen: „Komm, o mein Heiland Jesu Christ,
meins Herzens Tür dir offen ist.
Ach zieh mit deiner Gnade ein,
dein Freundlichkeit auch uns erschein.
Dein Heilger Geist uns führ und leit
den Weg zur ewgen Seligkeit.
Dem Namen dein, o Herr,
sei ewig Preis und Ehr.“

Pater Georg Maria Roers SJ
Berliner Dom / Palmarum 2015

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